Icon für Hörspiel, Gestaltung © Maike Krause

Was uns trennt

Saarländischer Rundfunk 2016

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Als jemand, die Finanzen und Materielles nie besonders interessierten und die sich mit sechzehn in den Kopf gesetzt hatte, Autorin zu werden, nahm ich blindlings in Kauf, dass ich mir etwas ausgesucht hatte, was mich womöglich kaum ernähren würde. Um das Nötigste zum Leben zu haben, würde ich jobben, als Sachbearbeiterin, als Kellnerin, als Schneeräumerin, als DAF-Lehrerin… Geld zu verdienen, war unabdingbar. Viel wichtiger aber war mir, meine Sprache und meine Geschichten zu finden. Es waren die wilden 90er Jahre, ich war Mitglied im Club der Berliner Boheme.

Ich muss gestehen, dass ich den Wirtschaftsteil meiner Zeitung erst zu lesen begann, als ich wie viele von der weltweiten Banken- und Finanzkrise überrollt wurde. Wie, was, wo, fragte ich mich, was ist denn da passiert?

Ich hatte das Gefühl, aus einem Dornröschenschlaf zu erwachen und alles nachholen zu müssen, was ich verpasst hatte. Da gab es ein Bankensystem, das Milliardenbeträge verzockt hatte, Banken, die mit unseren Steuergeldern gerettet wurden, Staaten, die plötzlich insolvent waren. Broker packten aus und erzählten von der eiskalten Logik des Kapitals, Aktivisten besetzten die Wallstreet.

Plötzlich gab es auch eine beachtliche Anzahl von Steuerbetrügern, prominente und weniger prominente, Steuer-CDs, die den Finanzbehörden zugesteckt wurden und eine moralisch geführte Debatte über Steuergesetze und Briefkastenfirmen, über Superreiche und die Bedrohung der Demokratie. Ökonomen prangerten die zunehmend ungerechte Vermögensverteilung an, Managergehälter wurden veröffentlicht und kritisiert, das Bankgeheimnis der Schweiz wurde aufgehoben.

Eine befreundete Autorin aus Barcelona brachte es kurz und knapp auf den Punkt: Die Gewinne werden kapitalistisch verteilt, die Verluste sozialistisch. So ist das immer.

Es gab genügend Gründe wütend zu sein, und ich begann mich bewusst mit der Frage auseinander zu setzen, wie Geld auf Menschen wirkt.

Wie ist seine Wirkung, wenn man davon zu wenig hat?

Wie ist seine Wirkung, wenn man davon zu viel hat?

Ich stellte mir vor, wie ein großes Vermögen die Persönlichkeit eines Menschen prägt und wie es ihn und sein Sozialverhalten beeinflussen musste, wenn er dieses Vermögen versteckt hielt und die fälligen Steuern nicht zahlte.

Ich versuchte mir die Motive vorzustellen und wie ein jahrelanges, vielleicht Jahrzehnte langes Betrügen sich in ihm fortpflanzen, eine Lüge die andere hervorbringen musste.

Die prominenten Steuerhinterzieher, die von Presse und Öffentlichkeit durch die Mangel genommen wurden, gewährten uns wenig Einblick in ihre intime Löwengrube. Die allerdings interessierte mich am meisten.

Und so versuchte ich eine Geschichte zu schreiben, in der ich den Preis der Steuerersparnis, die emotionale Dimension des Betrügens erfahrbar machen konnte. Ich versuchte mir einen Fall vorzustellen, in dem die Betrügenden nicht durch und durch die gierigen Bösen waren und die arme ehrliche Wahrheitssucherin, die den Fall aufzuklären hatte, auch eine andere, unschöne Seite an sich entdeckt. Ein moralisches Urteil war längst getroffen.

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