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Scharlach

Unsere Tochter hat Scharlach, aber sie geht ab heute wieder zur Schule. Vierundzwanzig Stunden nach der ersten Einnahme des Antibiotikasaftes ist sie ansteckungsfrei. Sie isst und trinkt, hat kein Fieber und keine Halsschmerzen mehr, es juckt sie nur noch selten und die Zunge sieht nicht mehr ganz so wie frisch geschnittenes Steak mit Himbeergelee aus. Früher musste ein an Scharlach erkranktes Kind drei Wochen isoliert werden.

Es musste alle Phasen der Krankheit durchlaufen, es durfte fiebern und ruhen und langsam genesen, bevor es wieder hinaus ging. Die Menschen, die mit ihm Kontakt hatten, sollten sich ihm nur in einem Krankenkittel nähern und danach die Hände waschen. Strengste Hygiene war erforderlich, höchste Vorsicht im Umgang mit dieser Krankheit geboten. Es herrschte Ausnahmezustand. Jemand musste sich Tag und Nacht kümmern. Drei Wochen lang. Wenn dann das Kind wieder in die Welt trat, war es ein anderes geworden. Es sah mit neu geschärften Augen alles wie zum ersten Mal. Es staunte über die Farben und über die Dinge. Es hatte etwas durchlitten und war danach gestärkter und empfänglicher geworden. Das Leben machte wieder großen Eindruck auf dieses Kind.

Mit Antibiotika ist unser Kind heute innerhalb weniger Stunden wieder alltagstauglich. Es kann nach zwei drei Tagen wieder zur Schule und das Schreiben und Rechnen weiter erlernen. Seine Eltern können wieder arbeiten gehen. Alle können zurück an ihre Stationen, denn um Stillstand oder Verwandlung ist dem Staat nicht gelegen. Auch aus ärztlicher Sicht wurde dringend dazu geraten. Bei Streptokokken muss man Antibiotika geben. Tut man das nicht, dann blieben die Streptokokken im Körper, sagten die Ärzte, und es könnten Folgeschäden an den Herzklappen oder an anderen Organen wie Leber oder Niere entstehen. Dagegen konnten wir gar nichts erwidern. Wir wollen doch nicht, dass unser Kind später an noch viel Schlimmerem als Scharlach erkrankt. So willigten wir der Gabe von Antibiotika ein. Selbstverständlich. Ohne lange zu zögern.

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