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PING PING – WIE POLITIK MEIN LEBEN BEHERRSCHT(E)

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Die Partei

Wir haben sie viele Jahre gewählt. Die Gesichter auf den Plakaten, die wir aus den Medien kannten, aber häufig auch nicht. Wir kannten sie aus der Bundespolitik und aus der Landespolitik. Die Bezirkspolitik interessierte uns kaum, und zu den Listengesichtern und den Nachrücker*innen, den jüngeren, neuen, fiel uns immer wenig ein. Wir wählten sie trotzdem mit dem Kreuz für die Partei. Weil die, wie wir meinten, für das Richtige eintritt.

Die Partei ist modern. Sie denkt immer nach vorne. Die Partei hat Visionen und ist innovativ. Sie spricht niemals aggressiv, kann aber nerven, weil nicht alles bequem klingt und auch nicht ist, was sie durchsetzen will. Manche sagen, sie predigt. Sie sei wie die ersten Christen in Rom, die Jünger von Jesus. Sie glaube, die Wahrheit, und nichts als die Wahrheit, sei auf ihrer Seite, erwiesenermaßen, wissenschaftlich hinterlegt, und ihr Mahnen und Fordern geht so manchem auf den Wecker. Sie will ständig was ändern und Neues entwickeln. Sie redet von Wohlstand, dabei meint sie Verzicht, schimpfen ihre Gegner. Sie spricht von Frieden, dabei fordert sie Waffen. Ideologisch nennt man sie, linkes Gesocks, verkappte Kommunisten. Ein Paradies auf dieser Erde würde sie erschaffen wollen, in dem die Bienchen eifrig summen und Fahrradkolonnen die Straßen beherrschen. Manche hassen sie gewaltig, weil die Partei sich humanistisch, feministisch und christlich verhält. Und dann auch noch queer.

Seit wir Mitglieder der Partei sind, macht es morgens um acht auf unseren Smartphones Ping Ping. Besonders viel pingt es, wenn Wahlen anstehen. Und die stehen ständig an bei uns in Berlin. Jetzt auch mitten im Winter.

Die nächste Wahl ist sehr wichtig, stets ist sie richtungsweisend und schicksalsentscheidend. Es geht um unser Land, und wir werden gebraucht. Das sagt die Partei und freut sich auf uns, die wir endlich aufhören mit dem apathischen Klagen und Schimpfen, Debattieren und Zögern, mit Furcht und Entsetzen. Wir lassen den Stammtisch und die Couch hinter uns. Jetzt sind wir dabei. Ping Ping. Ping Ping. In drei Chat-Gruppen hört das Pingen nicht mehr auf.

Es gibt Leute, die in ihrem Parteisprech Begriffe wie „D-Day“ benutzen oder „offene Feldschlacht“, aber „Wahlkampf“ zu sagen, ist auch nicht viel besser. Das ist mir zu pathetisch, heroisch, martialisch. Warum sagen wir nicht einfach „Vorstellungsrunde“, „Kandidaten-Wettbewerb“, „Wettbewerb der Ideen“? Die Parteien und Kandidat*innen stellen sich höflich vor – so könnte es doch auch sein – sie präsentieren ihr Programm und erzählen uns möglichst plastisch, präzise, anschaulich und ehrlich, was sie wie verbessern, was sie ändern oder einführen wollen. Ein Wettbewerb der besten Ideen und Lösungsansätze würde ich mir für uns wünschen. Verfassungskonformes. Wer nach rechts außen oder nach links außen rutscht, jemand verunglimpft, Mitbewerber*innen schlecht redet, wird disqualifiziert. Wer Verfassungsfeind ist, die Menschenrechte missachtet und nur das Gesetz des Stärkeren kennt, wird erst gar nicht zugelassen. Warum ist das nicht möglich? Kann mir niemand wirklich sagen. Deshalb ist jetzt erst mal „Wahlkampf“. Was Besseres haben wir nicht, dabei wird es vorerst bleiben, und wir machen mit. Ich bin gespannt, wie das sein wird. Wie wir mitmachen werden. Wie wir uns dabei fühlen.

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Neumitglied, schön

Bei der Kreismitgliederversammlung des Kreisverbands Pankow, die in einer umgebauten Markthalle hinter Plattenbauten stattfindet, ist die Stimmung entspannt. Du kommst als Neumitglied an, – es ist November, dunkel und kalt -, neugierig bist du und etwas schüchtern, und du wirst angeschaut. Leute, die vor der Tür stehen, schauen dir schon entgegen, da hast du gerade die ersten Stufen erreicht, den Treppenabsatz, der hinaufführt auf den Vorplatz. Du wirst begrüßt auf dem Vorplatz, heiter wirst du angesprochen, freudig, wie unter Freunden. An der Tür wirst du gleich mit Handschlag begrüßt, nach deinem Namen gefragt und du lernst ihre Namen, alle stellen sich dir vor. Dann drinnen am Empfangstisch wirst du wieder begrüßt und von einer langen Liste gestrichen, wo du als Mitglied schon alphabetisch einsortiert bist. Du wirst ständig angelächelt, mit Stimmzettel, Stimmkarte und Stift ausgestattet. (Der Stift ist eine Miene in einer Hülle aus Papier). Du wirst weiter wahrgenommen von dieser und jenem, die im Pulk herumstehen. Das geht immer so weiter, das Begrüßen und Lächeln und Namen austauschen. Hallo, wer bist du denn? Was wollt ihr trinken? Ihr seid gratis dabei. … Da drüben gibt’s Eddings und kurze Streifen Malerkreppband. Klebt euch eure Namen irgendwo sichtbar hin. … Setzt euch am besten vorne hin. Zwei winken uns zu, eine Nachbarin aus unserer Straße, von meinem Mann ein früherer Arbeitskollege. Pellets glimmen in einem Ofen.

Auf weißen Klappstühlen sitzen Leute allen Alters. Viele Anfang bis Mitte zwanzig, die andere Hälfte ist eher so mittelalt, im besten Leistungsträgeralter. Winterlich angezogen, Wanderschuhe und Jeans, Sneaker, Jeans und Pullover, wetterfeste Kleidungsstücke, ländlicher Stil, wenig städtische Mode, Absätze nein, aber Weihnachtsmann-Zipfelmützen, aufgesetzte Einhorn-Hörner, Rentiergeweihe auf so manchem Haupt. Etwa hundertfünfzig Leute aus dem Kreisverband Pankow. Gemütlich, entspannt, friedfertig, freundlich, so sehen die hier Versammelten aus. Du kannst sie leicht unterschätzen, bis die eine und der andere ans Mikrofon tritt. Wer auch immer da vorne spricht, hat das Sprechen von ganzen Sätzen gelernt, kann prägnant und charmant eine Botschaft rüberbringen. Gehobener Wortschatz, niemand, der stottert. Ich bin schwer beeindruckt – so viel Eloquenz und Einsatzbereitschaft.

Wir sind da um abzustimmen, dafür halten wir die Stimmkarten hoch. Nach den Formalitäten können wir wählen, was wir mit den Zetteln machen. Wir wählen aus unseren Reihen 17 Delegierte, neun Frauen zuerst, darauf folgen acht Männer. Wir schreiben unser Votum auf den obersten Zettel vom Stimmzettelblock, der zusammengefaltet von einem von uns gewählten Zählerteam bei jedem Wahlgang eingesammelt wird. Die zählen dann die Stimmen aus. Es dauert eine Weile, bis wir verstehen, dass mit GO die Geschäftsordnung, mit LGS die Landesgeschäftsstelle und mit AGH das Abgeordnetenhaus gemeint ist, bis uns jemand erklärt, was ein Quorum ist und eine LDK, und warum hier siebzehn Leute plus sechs in Reserve gewählt werden müssen. Sie sind unsere Delegierten. Drei Stunden zieht sich das hin bei Glühwein und Plätzchen, Knabbereien und Kaltgetränken: Das Kartenhochhalten, die Listung der Kandidat*innen, die Vorstellungsrunden am Mikrofon, das Stimmzettel schreiben und falten, das Zetteleinsammeln und Stimmzettelzählen, das Ergebnis verkünden und Ergebnis annehmen. Dann wieder von vorne. Bis alle gewählt sind. Sie vertreten uns auf der nächsten LDK. Das ist, wie wir nun wissen, die Landesdelegiertenkonferenz. Dort wählen sie, mit anderen Delegierten aus den anderen Kreisverbänden die Kandidat*innen aus, die für die Partei bei der Neuwahl des Bundestages antreten werden. So mahlen die Mühlen der Demokratie.

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Ist es politisch, Parteiplakate aufzuhängen?

Ist es politisch, mit der Weste der Partei durch die Häuser zu klingeln, um ihre Flyer zu verteilen? Durch geöffnete Türen zu reichen, vor geschlossene zu legen.

Bin ich politisch, weil ich inzwischen ein Parteimitglied bin, und war ich vorher unpolitisch, nur gelegentlich politisch? Mal on und mal off, stundenweise an manchen Tagen, wenn mich etwas empörte, wenn mich etwas erschrocken und aufgewühlt hat? Das waren so die Momente, in denen ich mich in einer Menge wiederfand, mitdemonstrierte, um mich besser zu fühlen. Um mich zu zeigen. Stunden meiner Haltung. Schaut her, meine Meinung ist diese und jene. Stunden der Stärkung. Ich war nicht allein. Womöglich war das, was mich und uns empörte, was uns Schrecken einjagte, wenn wir nur genug waren, laut genug waren, zu stoppen, auszumerzen, zu verändern, übten wir einen Einfluss auf Machthabende aus. Immer war diese Hoffnung dabei. Manchmal schrieb ich auch Texte. In fiktiven Geschichten entkam ich dem Gefühl ohnmächtig zu sein.

Es hört sich immer noch fremd an, wenn ich es sage: Ich bin Parteimitglied. Ich gehöre dem Kreisverband XY an. Ich bin Teil der Stadtteilgruppe Z. Ich sage es aber gern, obwohl es mir noch fremd ist. Es ist ein Seitenwechsel. Auf der Seite von früher reichte es aus, wenn ich mich informierte, mit halbem Ohr. Es reichte aus, mir nebenbei eine Meinung zu bilden und bei Gelegenheit mit ein paar Kreuzen meine Stimme abzugeben. Ich war Zuschauerin, Zuhörerin und Beobachterin. Politik war ein Circus. Endlos, entsetzlich, ernüchternd und zäh.

Jetzt bin ich eine, die sich öffentlich macht. Mit der Weste der Partei über meinem Mantel ordne ich mich ihr zu und werde zugeordnet. Trüge ich nicht diese Weste und auch nicht die Flyer der Partei in den Händen, stünde ich nur so herum vor einem Bahnhof am Morgen, bliebe ich anonym oder einfach nur Ich. So aber werde ich zu jemand, die für etwas dasteht. Wer ich bin, ist jetzt egal. Ich bin nur noch die Haltung, die ich vertrete. Ich verkörpere die Partei. Das Gesicht der Partei, ihre Stimme, wenn ich spreche, ihre Wortwahl und Sprache.

Wir machen nun Wahlkampf. Ich mag dieses Wort immer noch nicht. Auch wenn du das Leben als Kampf beschreiben kannst, als Wettkampf, als Kampf um deinen Platz und deine Rechte, und obwohl auch ich kämpfen musste, als Tochter und Frau für mein Recht auf Selbstbestimmung, möchte ich es so nicht nennen. Das Leben ein Kampf. Für mich klingt das Dritte Reich mit. Ich höre bei Kampf das Klirren von Schwertern, Geschosse und Schreie. Auch unser Kanzlerkandidat hat statt Wahlkampf neulich Wettbewerb gesagt. Wir bewerben uns um Stimmen. Wir stellen uns vor. Jedes Wort hat eine Macht und eine Geschichte.

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Meine Haltung ist wie?

Mir sagte einmal ein Freund – ein paar Jahre her – dass ich keine Haltung habe. Er meinte das nicht als Kritik. Aber wie dann? Als Charaktereigenschaft? Ich sei ein Fähnlein im Winde? Er wisse nicht, was ich wolle? Meine Aussagen seien schwammig? Oder wollte er mir sagen, ich sei zu freundlich mit den Menschen? Ich weiß es nicht mehr, verstand es damals schon nicht.

Eine Haltung zu haben, hat mich – womöglich, weil ich keine hatte oder mir ihrer nicht bewusst geworden war – fortwährend beschäftigt. Ich habe nach ihr gesucht, wie nach einem Kern. Ich habe wahrscheinlich auch deshalb schreiben müssen, um mir auf die Spur zu kommen. Ich habe nicht geschrieben, um Etwas zu verkünden, sondern um dieses Etwas erst einmal zu ergründen. Ich bin mir selbst mit der Nase eines Spürhunds gefolgt, so wie ich es mit Anfang zwanzig in mein Notizheft notierte: Ich schreibe, um am Ende zu wissen, wer ich war.

Wie unterschiedlich Menschen sind. Jeder Mensch ist eine Welt in der Welt. Ein eigener, in sich verworrener Kosmos, nie ganz zu durchschauen. Ich mag Gespräche mit Menschen, wenn sie mir etwas zeigen von sich, ich mag Diskussionen, bei denen ich was lernen kann. Ich finde Haltungen öde, wenn sie unbeweglich, starr und verbohrt sind.

Nur eine Haltung zu vertreten, nur eine zu kennen, war nicht gerade das, was für mein Schreiben nützlich war. Meine Arbeit als Autorin von dramatischen Geschichten war und ist, mich in mehr als einer Haltung, mich in mehr als nur mir selbst auszukennen. Es ist eine Voraussetzung für mich, es ist quasi mein Berufsbild, meine Qualifikation, die ich mitbringen oder mir stets aufs Neue aneignen muss, mehr als einen Menschen darstellen zu können und mehr als einen Standpunkt. Mich interessierten schon immer die Haltungen vieler. Jetzt in einer Partei, sogar ein aktives Mitglied zu sein, in der alle nach außen die gleiche Haltung vertreten, mit der gleichen Westenfarbe, ist deshalb gewöhnungsbedürftig für mich.

Dem Freund von damals würde ich heute aber trotzdem sagen können: Du täuschst dich, mein Lieber, ich habe eine Haltung. Ich vertrete einen Standpunkt, von dem aus ich das Verhalten von Menschen, ihren Beitrag auf dieser Welt, ihr Handeln und ihr Sprechen bewerte. Ich beharre auf ein paar Werten, die mir wirklich heilig sind, auf einem knappen Regelwerk, das nicht viele Worte braucht. Auf meiner Gesetzestafel stehen diese sechs Gebote:

  • Behandle jeden Menschen so, wie auch du behandelt werden möchtest
  • Sorge für andere, dann sorgst du für dich selbst
  • Hinterlasse Spuren der Liebe und nicht des Hasses
  • Bewahre das Leben auf diesem Planeten
  • Verzichte auf Gewalt in deinen Worten und Taten
  • Seh dich als Teilchen eines größeren Ganzen

5

Ich denke mit

So weit ist es schon. Ich sitze vor meinem Morgenmüsli, lese Herrigels Buch über die Kunst des Bogenschießens, mache bewusst oder unbewusst schon ein paar Atemübungen, und plötzlich sind sie da, die Gedanken an die Partei. Ich denke an ihre Flyer. Was daran gut ist und was nicht. Weshalb sich die Argumente beliebig anhören, zu allgemein, zu auswechselbar. Die Leute sollen uns wählen, steht auf dem Flyer, damit die Dinge wieder besser funktionieren, damit die Wirtschaft gestärkt wird, die Zukunft lebenswert sein wird, sich jede und jeder ein Leben leisten kann. Ja ja, hör mir auf, werden sicher viele denken. Das sagen doch alle. Keine Partei sagt, wählt uns, wir wollen euch eure Zukunft versauen! Wir wollen, dass die Wirtschaft den Bach runter geht. Wir wollen, dass ihr im Schweiße eures Angesichts auf dem Boden herumkriecht. Wäre blöd, das zu sagen. Andererseits: Genau das denken viele, die Mehrheit der Leute, die uns NICHT wählen, denken genau das. Die denken zum Beispiel: Durch euch ist mein Leben viel teurer geworden! Die denken: Seither gibt es Bockwurst mit Goldlack, die ich mir nicht mehr leisten kann! Die denken: Ihr bringt uns Tod und Verderben, Putins Krieg in unser Land! Die sagen, ihr macht Politik für die Privilegierten! Ihr hört nicht, was das Volk will! Die werfen unserer Partei vor, kein Bewusstsein für deutsche Traditionen zu haben. Die unterstellen ihr, sie bekämpfe, was deutsch ist. Die sagen: Balkonsolar ist schön und gut, sofern man einen Balkon hat. Ich hab aber keinen! Die schimpfen: Ihr seid auf der Seite der Frauen und Queeren und Geflüchteten, aber nicht auf der Seite von uns ganz normalen Heteromännern. Unser Testosteron würdet ihr uns absaugen, wenn ihr es könntet. Aber ihr werdet es noch brauchen, im Falle eines Krieges, in den ihr uns hineinverwickelt… So ähnlich denken wirklich viele.

Ich entwerfe nach dem Müsli, sicher etwas vermessen, einen anderen Flyer, einen, den ich viel lieber austeilen würde. Auf dem würde stehen:

  • Es gibt kein richtiges Leben im Falschen, aber es gibt im Falschen die richtige Richtung (John von Düffel)
  • Der Klimawandel (von uns Menschen beschleunigt) ist für uns Fakt. Das ist unser harter Kern.
  • Wir beachten die Klimaziele der Weltklimakonferenzen. Sie sind unser Maßstab. Wir tun unser Möglichstes dafür, dass sie eingehalten werden.
  • Wir sind immer zu Kompromissen bereit.
  • Wir diskutieren mit Respekt und Achtung voreinander.
  • Wenn Frauen im Raum sind, dürfen sie zuerst sprechen.
  • Wir sind optimistisch. Wir schauen nach vorne. Wir sind überzeugt, dass wir heute die Zukunft für unsere Enkel und Enkelinnen gestalten.
  • Eine nachhaltige Wirtschaft halten wir für möglich.
  • Nur mit staatlichen Geldern ist der Umbau aller Bereiche sozialverträglich zu schaffen.
  • Die Vermögenden sollten die Niedrigverdienenden bei diesem Umbau unterstützen.
  • Ein gesünderes Leben sollte für alle möglich sein.
  • Die Würde jedes Menschen ist unantastbar.
  • Wir hätten auch gerne Freiheit, die ohne Waffen bestehen kann.
  • Die Ukraine will mehrheitlich zu uns, zu Europa gehören. Es ist uns nicht möglich, nicht solidarisch zu sein.

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Archaisches Trommeln

In der Zeit eines Wahlkampfs und schon in den Wochen davor wird jedes Ereignis und jede Wortäußerung mit einem gesteigerten, geradezu überreizten Interesse verfolgt. Die Presse ist in Lauerstellung, sie hockt wie Geier auf den Bäumen. Alles ist hochpolitisch. Besonders medienwirksam aber sind Katastrophen, Messerattacken, ein Brandanschlag, ein Amoklauf, Gewalt und Grausamkeit, was die Menschen erschüttert. Furcht und Schrecken wirken sich auf Wahlen immer deutlich stärker als alles Vorangegangene aus. Furcht und Schrecken sind die stärksten Gefühle. Sie sind überragend. Sie verleiten die Menschen zu Schnellreaktionen, Alphatiertypen zu markigen Reden, in denen sie sich als Retter aufspielen: Ein Mann ein Wort! Vertraut auf mich! Ich habe Zauberkraft! Deshalb steht es schlecht für viele Parteien, für Umsicht und Zuversicht, für Ausgewogenheit. Nach Mannheim, Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg ist alles verblasst, was es an guten Entwicklungen gab. Die GEAS-Regelung für die Migration, wen interessiert das denn noch? Und wer von uns weiß darüber denn wirklich Bescheid?

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Das große Desaster

Es gäbe gerade genug Stoff, um über das große Desaster zu schreiben. Ich belasse es bei einem Bild: Wir befinden uns in einem Kino, auf dessen Leinwand eine politische Farce nach anderen spielt. Wie gefesselt sitzen wir auf unseren Sesseln und zwischendurch reden wir, in einer kleinen Atempause. Wir empören uns, tuscheln uns das Entsetzen gegenseitig in die Ohren, wir diskutieren und klagen. Wir wollen raus aus dem Kino, aber am Auslass stehen aufgeblasene Männer, schiefes Grinsen im Gesicht. Wir werden wieder auf unsere Plätze verwiesen. Bleibt sitzen und schaut zu, schaut euch das an. Was für euch eine Farce ist, bedeutet für uns Sieg. Unser Ziel ist erreicht. So sehen sie uns an, die Männer am Ausgang, die sich überlegen fühlen, die Schlüssel zur Machtzentrale klirren in ihren Taschen, ihre Muskeln sind aufgepumpt. So sehen das manche, die resigniert oder eingeschüchtert sind. Dass wir wie gefangen wären in einem Kinosaal, klagen die Gebeugten, Angsterfüllten unter uns. Du kannst doch gehen, sagen andere. Und weil das viele sind, drängen sie sich an den Männern vorbei, an den breiten, aufgepumpten. Sie gehen nach draußen und ziehen durch die Straßen.

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Zweifel

Jede Partei hat ihre eigene Kultur, ihren Politikstil, einen Charakter. All das gefällt mir an unserer Partei. Ich bin überzeugt, dass viele ihrer Ideen zu Lösungen führen. Vieles ist schon gelöst. Beim Thema Klima macht ihr niemand etwas vor. Deutschland wird klimaneutral wirtschaften, die Wirtschaft damit wachsen können. Der Umbau kostet viel Geld. Arbeitsplätze gehen verloren, andere werden entstehen. Auch hier vertraue ich ihr. Die sozialen Dimensionen hat sie im Blick. Und ja, es gibt genug Vermögen, Reichtum in unserem Land, das in den letzten Jahrzehnten mit fossiler Energie erwirtschaftet wurde.

Am 29. Januar 2025 fand im Bundestag anlässlich der Befreiung von Ausschwitz, die sich zwei Tage zuvor zum 80. Mal gejährt hatte, eine Gedenkveranstaltung statt. Die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hielt eine Rede, der Bundespräsident Walter Steinmeier hielt eine Rede, auch der Holocaust-Überlebende Roman Schwarzman aus Odessa hielt eine Rede. Eindringlich und würdig wurde gesprochen. Eindringlich und würdig war auch die Musik. Ein Stück für drei Streicher, zwei Stücke auf einem Steinway-Flügel.

All jene, die einen geregelten Arbeitstag haben, konnten diese Veranstaltung nicht mitverfolgen. Sie begann um 11 Uhr und ging bis ca. 12.15 Uhr. Nach einer kurzen Pause folgte ein Vorgang, der im Deutschen Bundestag, seit es ihn gibt, noch nie stattgefunden hat. Eine Partei aus der Mitte brachte einen Entschließungsantrag zur Abstimmung ein, einen Fünf-Punkte-Plan, um ein starkes Zeichen gegen die Migrationspolitik der EU und der noch bestehenden deutschen Regierung zu setzen. Dauerhafte Grenzkontrollen an Deutschlands Außengrenzen, sofortige Inhaftierung von Ausreisepflichtigen, Zurückweisung von Migranten ohne gültige Papiere… und dergleichen mehr wurde gefordert.

Ich habe mir sämtliche Reden in voller Länge angehört, die der Abstimmung über den Entschließungsantrag der CDU/CSU vorausgingen. Auch das kann niemand leisten, der einer geregelten Arbeit nachgeht. Es dauerte fünf Stunden. Ich habe es getan, weil ich mittlerweile auch der Berichterstattung, die auf solche Debatten folgt, nicht mehr vertraue. Jede Verkürzung, Verallgemeinerung, jede Auswahl eines Ausschnitts, die ein(e) Journalist*in zwangsweise zu treffen hat oder voreingenommen oder unbewusst trifft, nimmt etwas vorweg. Ich wollte die Debatte mitverfolgen, um mir selbst dabei ein Urteil zu bilden.

Es war schwer erträglich. Immer wieder war da von der Mitte die Rede, die Mitte, die Mitte, sie wurde beschworen, von allen, die sich als Mitte verstanden. Es war wie bei einer Ehe, die kurz vor der Scheidung steht. Die aus der Mitte bekundeten alle: Aber ich liebe dich doch! Bitte, komm zurück. Halte zu mir. Sie flehten sich an. Sie forderten Vernunft. Einer aber sagte sinngemäß, der damit in die Geschichtsbücher kommt: Ihr sollt machen, was ich will. Stimmt für meine fünf Punkte. Dann ist alles wieder gut. Das Ergebnis der Abstimmung war dann nicht mehr überraschend. Trotzdem schockierend. 

Nach diesem Tag begann ich an mir zu zweifeln. Ich hatte mir die Argumente von allen angehört, jede Rede war in sich schlüssig, aber verfügte ich wirklich über genügend Sachkenntnisse, um die Wahrheit von Lügen, die Fakten von den Verzerrungen der Fakten unterscheiden zu können? Ich wusste noch nicht einmal, was der Begriff GEAS bedeutete, der in einigen Reden erwähnt worden war. Ich hegte auch Zweifel an meiner Partei. Deutschland ist überfordert, die Bundespolizei, die Behörden, die Gemeinden. Es gibt weder ausreichend Kita- und Schulplätze noch Mentor*innen oder Sprachkurse, geschweige denn Wohnungen für die Geflüchteten, die zu uns gekommen sind. Integration kann so nicht funktionieren. Und natürlich gehört zu dieser Wahrheit auch, dass das Geld, das uns das kostet, woanders fehlt oder weggenommen wird, wo es ebenso dringend gebraucht werden würde. Aber was weiß ich schon?

Ich muss schon wieder recherchieren. Was unterscheidet das Recht auf Asyl von subsidiärem Schutz? Wie lautet der Wortlaut der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951? Was steht in der Europäischen Menschenrechtskonvention? Und was ist das GEAS? Und seine Reform? Ich finde alles, keine Frage, aber je tiefer ich grabe, umso mehr wird mir klar, dass mir ein Jurastudium fehlt. Internationales Recht, Verwaltungsrecht, so was würde mir jetzt nützen, um wirklich durchzusteigen.

Das Recht auf Asyl ist im Artikel 16a des deutschen Grundgesetzes auf einfachste Weise formuliert: Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. Diesem ersten Absatz folgen aber weitere, viel längere Absätze, vier insgesamt, die es aufweichen, relativieren und verkomplizieren.

Laut Artikel 1A der Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Flüchtling eine Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will“

Subsidiärer Schutz greift ein, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können und im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten Tod oder Folter.

Die Europäische Menschenrechtskonvention ist eine 35 Seiten lange Erklärung aller Grundfreiheiten und Rechte, die allen in Europa lebenden Bürger*innen zustehen. Ein Vertragswerk, das immer wieder weiterentwickelt, verhandelt und ratifiziert wird.

Und im Bundesministerium des Innern und für Heimat (so heißt das tatsächlich!) liegt seit Dezember 2024 ein NPI (Nationaler Implementierungsplan) vor, ein über 100 Seiten langes Dokument, in dem genau beschrieben wird, wie das im Juni 2024 erneut reformierte GEAS (Gemeinsames Europäisches Asylsystem) in den nächsten zwei Jahren in Deutschland (und allen anderen Ländern der EU) umgesetzt werden soll.

Um die Reform des GEAS wurde in der EU viele Jahre gestritten, im Juni 2024 wurde sie endlich ratifiziert. Wer der Migration keine Grenzen setzen und Europa nicht abschotten will, wird das neue GEAS und seine Folgen natürlich kritisieren. Diejenigen aber, die die Migration steuern oder eindämmen wollen, könnten sich damit zufriedengeben. Europa macht die Grenzen dicht, noch dichter als vorher. Deutschland würde entlastet werden. An den Außengrenzen der EU würden in Zukunft all jene abgewiesen, die keine Chance haben, in Europa Asyl zu bekommen. An den Außengrenzen der EU würden alle Antragsteller*innen in zentralen Lagern (Wartezentren, Internierungslagern) registriert und untergebracht, worin sie abwarten müssten, bis ihr Antrag bewilligt oder abgelehnt wird. Nur Minderjährige, Schwangere und Kranke dürften die Außengrenze passieren, um in Europa ihren Antrag zu stellen. Wäre ein Mitgliedstaat durch Migration überlastet, sollten die anderen EU-Mitgliedstaaten ihm solidarisch zur Seite stehen. Wer keine Flüchtlinge aufnehmen wollen würde, sollte als Ausgleich finanzielle oder personelle Hilfe leisten. Das ist kein Signal der offenen Arme an jene, die sich auf den Weg nach Europa gemacht haben. Aber nicht einmal damit gibt Friedrich Merz sich zufrieden, der bald Deutschland regieren will. Und es wahrscheinlich wird. 

9

Das Geräusch der Schlösser

Bevor ich mich darauf einließ, stellte ich es mir unangenehm und herausfordernd vor, etwas für Profis. Lange Diskussionen, in die du verwickelt wirst, die irgendwann eskalieren. Dass dich jemand beschimpft oder gar im Affekt gewalttätig wird. Es gibt da ja so manche, die uns regelrecht hassen. Die nur darauf warten, bis wir bei ihnen klingeln. Die erkennen unsere Farbe durch den Spion, fassen nach dem Baseballschläger, der immer bereitsteht, reißen ihre Tür auf und prügeln uns, mit Schaum vor dem Mund, die Treppen hinunter. So was war nicht auszuschließen. Ich machte mich also auf das Schlimmste gefasst.

Die Profis beruhigten mich. So was passiere allerhöchstens auf der Straße. Wenn du an einem Stand stehst, irgendwo in Brandenburg, in Thüringen, Sachsen, auf dem Land, in einer Kleinstadt, einem Außenbezirk. Wenn du ungeschützt zur Zielscheibe wirst, keinen Rückzugsort hast, wenn ihnen ausreichend Zeit bleibt, um dich zu orten und sich zu organisieren und sie dann zu mehreren anrücken können. Klingelst du an ihrer Wohnungstür, bist du erst mal im Vorteil. Sie sind überrascht, unvorbereitet, und du hast einen Fluchtweg. Du könntest sofort, wenn Gefahr in Verzug ist, das Treppenhaus hinunterrennen. Und du bist ja zu zweit.

Inzwischen kann ich sagen: Bis jetzt war er harmlos, unser Haustürwahlkampf. Einmal rief eine Frau im Vorbeigehen zu uns herüber, mit einem verächtlich verzerrten Gesicht, wir sollten uns schämen. Wir hatten die Westen mit unserer Parteifarbe an und gingen gerade auf einen Hauseingang zu. Wir ließen die Frau ziehen und uns nicht beirren. Ein paar Häuser weiter machte uns ein Türke mit lauter Kehle im Treppenhaus herunter. Er hielt uns wutschnaubend vor, wir würden uns nicht um unsere Landsleute kümmern, zu denen auch er gehöre. Er sei in Deutschland geboren. Unserer Partei sprach er sehr große Macht zu, denn egal, was auch in Deutschland und der Welt geschehen war, sie hatte, nach seiner Meinung, das Ganze verursacht. Er gab ihr die Schuld für seinen langen Arbeitsweg, eine Stunde am Tag würde er inzwischen mit seinem Auto brauchen. Er gab ihr die Schuld, dass Recyclingmüll aus Deutschland in der Türkei offen auf den Feldern verbrannt werden würde. Und sie hatte natürlich auch entschieden und befohlen, dass Israel den Gazastreifen bombardiert. Als er Hitler erwähnte, der das ganz sicher nicht zugelassen hätte und sich trotzig als AfD-Wähler ausgab, brachen wir unsere Versuche, seine Schimpftirade zu unterbrechen, endgültig ab.

Häufig geht es diskreter zu, wenn dein Erscheinen abgelehnt wirst. Du klingelst an der Wohnungstür, trittst wieder zurück und wartest mit höflichem Abstand und entspanntem Gesicht. Du willst ja niemand bedrängen. Du hörst, wie jemand sich nähert hinter der Tür, spürst die spähenden Augen durch den Spion, danach regt sich aber nichts mehr. Es wird dir nicht geöffnet. Du wartest ein paar Sekunden, lässt dich beschauen, zeigst dem Spion dein freundliches Lächeln, bevor du dich bückst, um die Flyer abzulegen, auf denen „Zusammen“ oder „Zuversicht“ steht. Ganz selten lehnen alle Bewohner*innen eines Hauses dich ab. Du klingelst dich von oben nach unten durch das Klingelschild, niemand öffnet dir die Haustür, du kommst nicht hinein. Dann ziehst du weiter zum nächsten Hauseingang, wo wieder alles anders ist.

Ein paar Mal ist es uns passiert, als wir die Westen mit der Farbe der Partei nicht übergezogen hatten, dass nach dem Klingeln an einer Wohnungstür ein Schloss oder zwei oder drei geöffnet wurden, die Tür einen Fuß breit aufgestoßen wurde und sich jemand zeigte, missgelaunt ob unserer Störung, eine finster dreinblickende, ängstliche oder vom Leben enttäuschte Person, die beim Anblick unserer Flyer mit einem kurzen „Nee Danke“, „Kein Bedarf“, „Mit euch hab ich nichts am Hut“ die Tür sogleich wieder schloss, um die Schlösser, zwei oder drei, wieder klackend zuzuschließen.

Das hat sich mir eingeprägt, das Geräusch dieser Schlösser an den niederen Türen in den alten Siedlungshäusern. Türstangenschlösser, Bügelschlösser, Kastenschlösser, und wie sie noch alle heißen, wurden entriegelt und unverzüglich wieder geschlossen. Besonders gesichert waren die Wohnungstüren bei den Bewohner*innen, die von uns nichts wissen wollten. Für sie schien es ein bedrohliches Draußen zu geben, vor dem sie sich verstecken müssen. Alles, was von Draußen kommt, muss offenbar abgewehrt werden. Sie wirkten, als erwarteten sie nur noch Schlechtes von der Welt, als fühlten sie sich nur sicher in ihren vier Wänden, wie in einem Hochsicherheitstrakt. Sie machten mir keine Angst, sie taten mir leid.

Andere im selben Haus öffneten, nach einem Blick durch den Spion, uns ihre Wohnungstür in vollstem Vertrauen. Einige von ihnen wählten unsere Partei, aber nicht alle. Doch eines hatten sie gemeinsam. Sie zeigten sich ungeschützt, viele wechselten freundliche Worte mit uns. Auf ihren Gesichtern lag ein Ausdruck von Überraschung, von Optimismus und Selbstgewissheit. Oder einfach nur die Frage, bringen Sie Post? Oder: Wer seid ihr?

Bei uns an der Tür hat noch niemand geklingelt, niemand von unserer und niemand von einer anderen Partei. War jemand bei euch?

10

Es bleiben Fragen

„Noch 13 Tage bis zur Wahl“ pingt uns heute Morgen der Wahlkampfleiter unserer Partei. Er zählt für uns die Tage ab, bis Friedrich Merz Kanzler ist. Bis ein machthungriger Mann unser Land regieren wird, der nur noch geradeaus schaut und von links und rechts mitnimmt, wer mit ihm auf Linie ist, wer sich hinter ihn einreiht. Noch dreizehn Tage bleiben uns, bis einer auf Messers Schneide regiert, über den Mamutschka sagt, gebetsmühlenartig und das schon seit Jahren: Den kann i ned schmegga! Wie wird der regieren, wie soll das gehen? Kann mir das jemand sagen?

Noch nie, und ich lebe schon lang, habe ich mit meinen Freund*innen über das, was politisch geschieht, so entrüstet, aufgebracht, erschüttert diskutiert. Wir reden uns die Köpfe heiß und reiben uns täglich die aufgerissenen Augen. Was geschieht, ist irrwitzig. Superreiche Egomanen, eiskalte Oligarchen, skrupellose weiße Männer regieren die Welt im Osten und Westen, und sie werden nachgeahmt. Streichen wir ‚Friedrich‘ und sagen wir ‚Donald‘.

Ich werde diese Woche eine Parteiwettbewerbspause einlegen, weil ich zu Mamutschka fahre. Ihr Herz ist sehr schwach und pocht zu häufig zu schnell. Noch in sehr hohem Alter hat meine Mutter gelernt, über das, was in ihr vorgeht, zu sprechen. Sie sagte es endlich: Ich habe Sehnsucht nach euch. Damit meinte sie uns Töchter, meine Schwester und mich.

Ohnehin ist bei mir der Eindruck entstanden, dass unser Engagement in diesem Wahlkampf nicht allzu viel bewirkt hat. Die Umfragewerte bewegten sich kaum, und jetzt sind sie eingefroren. Ich will mich trotzdem einbringen, wenn ich wieder zurück bin, bei meiner Stadtteilgruppe Z, diesem temporären WIR, von dem ich jetzt noch ein Teil bin.

Was mache ich nach der Wahl? Sammle ich mit der Weste der Partei Müll in meinem Kiez ein? Mache ich öde Verkehrsinseln grün? Bringe ich mich in einer Arbeitsgruppe ein? Rege ich mich weiter auf, auf meiner Couch, um danach in den altbekannten Zustand der Ohnmacht zu fallen. Oder schalte ich den Politik-Kanal mal ein ganzes Jahr lang auf stumm, so wie es Rick Rubin in seinem Buch „kreativ. Die Kunst zu sein“ vorschlägt. Ein Jahr lang Nachrichten-frei, was wäre das für ein Leben? Losgelöst von diesem Irrsinn?

Werde ich das können? Darf ich das wollen? Und wohin richte ich dann meine Wahrnehmung aus?

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