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Die 6 und die 14

Um für Raupes Geburtstag die 14 in Gold, zwei mit Helium gefüllte Zahlen zu besorgen, gehe ich Samstag in die Ballonerie. Vor mir ist eine Kundin, die eine goldene 6 bestellt. Sie fragt, wie lang der Ballon halten würde. Die Verkäuferin, blass wie der Himmel über Berlin, aber resolut: Na, schon ein paar Tage. Sie knüpft noch Schnur und das Gewicht an die prallgefüllte 6. Ach nur, sagt die Frau. Bei uns hielt er zehn Monate, werfe ich ein, um die Frau von ihrem Kauf etwas mehr zu begeistern. Na, wenn das so ist! Sie strahlt mich dankbar an und nimmt die goldene 6 freudig entgegen. Sie verabschiedet sich. Kurz darauf folgt der Aufschrei. Oh nein!! Er kommt von der Tür. Die Tür ist selbstschließend und hat die 6 eingequetscht. Der Ballon ist kaputt, er kräuselt sich und verliert seine Form, seine Ränder knicken um. Na, dann kommse nochmal her, ruft Frau Resolut und verkauft den Ersatz. Sie zieht vom Verkaufspreis sogar einen Euro ab. Den nehmse jetzt runter, wenn sie durch die Tür jehn. Die Kundin geht bekümmert. Das zweite Mal klappt.

Ich bestelle die 14 in Gold, gleiche Größe wie die 6, die den Laden verlässt. Die blasse Frau ruft von hinten, kann ich nich machen, mir fehlt die 1! Ist nicht wahr, sage ich, eine 1 braucht doch jeder für die Zahlen zwischen 10 und 19, für den ersten Geburtstag, für den 21. usw usf. Aus, vorbei, is nich mehr lieferbar, erklärt mir die Frau, auf den Tresen gestützt. Was meinense, meine Dame, wat noch allet fehlt. Jetzt legt sie los. Auf die Kerzen dort hamwa drei Monate jewartet. Lieferengpässe, Rohstoffknappheit, Personalmangel, kennensedoch. Det Helium hier reicht noch für drei Monate, dann könnwa zumachen. Oh, echt?, sage ich. Das Helium wird aus Erdjas jewonnen, und det is nu mal knapp. Der Krieg, denke ich, Nordstream II, ich nicke ihr zu. Was es an Helium noch jibt, brauchen die Kliniken für ihre Jeräte. So einen Einblick zu kriegen, ist mir immer willkommen. Ich hab von all dem keinen Schimmer, und frag mich, welche Geräte? Ich bin auch voll auf der Seite von Frau Resolut. Ich mag ihren bunten Luftballonladen. Aber dann, sage ich, dann müsste der Staat Sie doch jetzt unterstützen, so wie bei Corona. Damit bringe ich die Frau so richtig auf die Palme. Corona ist eine Wunde. Sie hätten ja die ersten 5000 jekriegt, erzählt sie frank und frei, ohne Probleme. Aber die zweiten 5000, die habe ihr Steuerberater beantragen müssen, mit einem seitenlangen Monster-Formular. Der habe für seine Arbeit 1800 in Rechnung gestellt. Und dann, ein Jahr später, musste sie die 5000 an den Staat zurückzahlen, was hieß, dass sie unter dem Strich Verlust gemacht hatte. Ich krieg das nicht ganz zusammen, was die Frau mir erzählt. Ist mir nicht alles logisch. Ihr Steuerberater verlangt 1800 Euro dafür, dass er für Sie einen Antrag gestellt hat, frage ich verwundert. Jaja, sagt die Frau, der hat einen andren Experten jebraucht, um den Antrag auszufüllen, und der hat auch wat jekostet. Ich kapiere das nicht, bin aber ganz Ohr. Und hätt ick in dem Jahr mehr als 5000 im Monat Umsatz jemacht, hätt ick die Kunden wegschicken müssen. Ich verstehe nur Bahnhof, ich höre nur noch Empörung. Es klingt nach einer Farce, nach kafkaesken Strukturen. Sie sollten zu Maischberger. Oder zu Plasberg, schlage ich vor. Vielleicht könnte man da die Sachlage klären. Die Frau reißt die Augen auf, dann schüttelt sie nur noch den Kopf, jetzt gerät sie ins Stocken. Dann nehme ich doch mal, was es gibt, das sage ich schnell, um den Kauf abzuschließen. Ich wähle eine 14, die auf einen runden Ballon gedruckt ist, es ist ein Ballon mit Konfettimuster. Kein Gold, dafür Kitsch.

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