Ein CineStarKino mit acht Sälen. Wir sitzen mit geschätzten dreißig weiteren Besuchern in einem für ca. 300 Besucher ausgelegten Kinosaal und schauen uns über die leeren Sitzreihen hinweg Kaurismäkis letzten Film „Die andere Seite der Hoffnung“ an. Der Film ist lahm, die Gesichter aus Stein, die Geschichte schleppt sich von einer Schablone zur nächsten…
Dazu treten vermutlich des müden Filmemachers beste alte Musikerfreunde auf und singen traurige Lieder. Die beiden Hauptfiguren, ein syrischer Flüchtling und ein ehemaliger Herrenhemdenverkäufer, treffen sich vor den Müllcontainern eines Restaurants wieder, das für den Flüchtling zu einer Zufluchtsstätte wird, für den ehemaligen Hemdenverkäufer als Geschäftsidee nicht so richtig rund laufen will. Das Restaurant hat nichts Leckeres zu essen zu bieten und die Angestellten sind auch nicht gerade talentiert darin, den Laden zum Laufen zu bringen. Es geht ums Existentielle und ums Mensch bleiben, nur leider hebt die Geschichte nicht wirklich ins Absurde ab, sie bleibt auf hölzernen Füßen stehen und kann uns weder zu Tränen rühren noch zum Lachen bringen. Das gelingt dann aber später dem Personal einer Pizzeria in der Oderberger Straße, in der wir mehr stranden als zielstrebig landen. Kurz nach 22.00 Uhr werden in den Speiselokalen im Prenzlauer Berg offenbar, jedenfalls in denen, in die wir wollen, bereits die Stühle hoch gestellt. Um 22.00 Uhr in der von 13 Millionen Gästen jährlich besuchten Hauptstadt, die angeblich niemals schläft! Wir betreten also eine Pizzeria, die wir, würde es nicht außen an der Fassade stehen, nicht wirklich als solche erkennen würden. Der Raum, der sich endlos in den Seitenflügel verliert, erinnert an eine Ausstellung von Tischgarnituren, die ein Wohnungsauflösungstrupp zusammen gesammelt hat. Die Wände sind mit Schallplattenhüllen dicht beklebt, es gibt Schränke mit weiteren Schallplatten und CDs, einige leere Regale, vor denen rote Kunstlederelemente zusammen geschoben sind. Je weiter man ins Innere bzw. Hintere des langen Raumes vordringt, um so mehr verliert man den Überblick. Ist das hier ein Warenlager oder ein Restaurant? Wir setzen uns schließlich vorne hin, vors Fenster. Ein junger Kellner kommt, bringt uns die Karten und breitet auf unserem Tisch eine rotweiß karierte Tischdecke aus, legt Besteck und diese leckeren Knusperstangen aus, die man bei einem guten Italiener kostenlos kriegt. Jetzt sieht das schon mehr wie eine Pizzeria aus, finden wir. Zumindest, wenn man den Blick nicht schweifen lässt. Ich suche noch nach einem Stuhl, mit dem ich halbwegs an den Tisch passe, gebe es aber nach dem dritten wackligen „Vierbeiner“ auf. Obwohl ich ein Sitzriese bin, werde ich das Gefühl nicht los, wie ein Siebenjährige an einem etwas zu hohen Tisch zu sitzen. Wir bestellen. Gabi bestellt den Soave, den einzigen offenen Wein, den es gibt. Ich bestelle ein Alster und, jetzt kommt’s, frage, ob es möglich wäre, dass wir Oliven und etwas Brot bekämen. Der junge Kellner kriegt große Glubschaugen und stottert, das ginge nicht, das mit den Oliven. Aber vielleicht ein bisschen Brot und Olivenöl, frage ich. Er ringt nach Luft und sagt, er müsse den Chef fragen. Ein anderer Kellner taucht von irgendwo her auf und bringt uns die Getränke, dann kommt der Chef, ein schmähbäuchiger bärtiger Italiener, und fragt „Pizza?“. Wir sagen „Nein, danke“ und tragen unseren Wunsch nach etwas Brot, Oliven oder Olivenöl noch einmal freundlich vor, nicht ohne zu erwähnen, dass wir das selbstverständlich alles bezahlen würden. Der Chef schüttelt entschieden den Kopf. Nein, nein, das ginge nicht, sie seien schließlich eine Pizzeria. Er greift nach einer Ecke des Tischtuchs und zieht sie uns, als hätte er blitzartig fünf Hände, unter den Gläsern weg. Oah, sagt Gabi, wie schade. Das war doch schön. Wir schauen ihm fassungslos zu. Und er: „Nein, nein, das geht nicht. Das Reinigen kostet schließlich Geld.“ Die Fortsetzung von Kaurismäkis Film war uns jedenfalls bestens gelungen. Und lachen konnten wir schlussendlich auch, als wir den Laden verließen.